Piratenpartei und weitere digitalpolitische NGOs fordern Ablehnung der Parl. Initiative zur Plattformregulierung

Am 02. Februar wird in der Rechtskommission des Nationalrates die Parlamentarische Initiative “Illegale Inhalte und Fake News auf Internetplattformen stoppen” [1] behandelt.
Was genau die Initiative will und was deren Forderungen für die Demokratie der Schweiz bedeuten, soll nachfolgend analysiert und kritisch hinterfragt werden.

“1. Die genannten Internet-Plattformen sind haftungsrechtlich in die Verantwortung zu nehmen, wobei sie für gesetzeswidrige Inhalte, die sie verbreiten, auch dann verantwortlich gemacht werden können, wenn diese von Dritten stammen.”
Internetplattformen tragen keine redaktionelle Verantwortung für die Inhalte, welche von Dritten also den Nutzern hochgeladen werden. Die in der Begründung als “Regulierungslücke” bezeichnete Section 230 des Communication Decency Act ermöglicht eine Meinungsäusserung auf Internet-Plattformen, wie wir es gewohnt sind. Sie beruht auf dem Grundsatz, Intermediäre im Internet nicht für die Inhalte der Nutzer haftbar zu machen. Plattformhaftung auszuweiten bedeutet eine Förderung von Uploadfiltern und weiterer Formen der fehleranfälligen, automatisierten Kontrolle von Inhalten. Für eine effektive Durchsetzung der Regulierung drohen konsequenterweise Netzsperren. Das freie und offene Internet wie wir es kennen, könnte nicht existieren ohne die Section 230 [2].Eine solche Haftung von Internet-Plattformen entspräche der Situation, dass die Betreiber von Restaurants für Aussagen ihrer Gäste haften müssten oder die Verkehrsbetriebe für Gespräche ihrer Passagiere. So etwas ist absolut unverhältnismässig, sowohl im Restaurant, im Zugwagon und auch im Diskussions-Forum.
Philippe Burger, Vizepräsident der Piratenpartei ergänzt: “Die Parlamentsdienste sind ja auch nicht dafür verantwortlich, wenn im Ratssaal mal wieder ein Politiker Chabis erzählt.”

Ausserdem impliziert diese Haftungsforderung, dass Kompetenzen der staatlichen Justiz an private Konzerne übertragen werden. Plattformen müssten über Recht und Unrecht urteilen und Sanktionen (z.B. Löschung der Beiträge) vollstrecken. Eine solche Kompetenzdelegation entspricht einer Privatisierung von rechtstaatlichen Aufgaben.

“2. Es sind gesetzliche Bestimmungen zu erlassen, die dazu dienen, die Verbreitung von Falschinformationen auf den genannten Internet-Plattformen einzudämmen.”
Wir Piraten lehnen jegliche gesetzliche Bestimmungen entschieden ab, welche die Eingrenzung von legalen Inhalten auf Plattformen zum Ziel haben. Diese Form eine Infomationsbekämpfung stellt eine Verletzung der demokratischen Grundrechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit dar und verstösst gegen das Zensurverbot. Mündige und medienkompetente Bürger können selbst Information werten und benötigen dafür kein Wahrheitsministerium.

Bereits heute greifen Plattformen wie Google, Twitter oder Facebook mit der Priorisierung der Anzeige von Content, Moderation oder auch Löschung der von Nutzern generierten Inhalte in unseren demokratischen Diskurs ein. Die grossen Internet-Konzerne arbeiten bei dieser Informationssteuerung eng mit Regierungen und Geheimdiensten zusammen [3]. Für die Meinungssteuerung in der Schweiz nehmen manche Plattformen inzwischen eine dominierende Rolle ein, wie z.B. Meta mit Facebook und Instagram [4].

Um eine freie, demokratische Debatte im Internet zu garantieren, müssen solch schädliche Machtkonzentrationen vermindert und alternative Lösungsansätze zu dieser parlamentarischen Initiative diskutiert werden. Dazu gehört die Stärkung der Medienkompetenz. Wir fordern höhere Transparenzanforderungen für die dominanten Plattformen. Es braucht kartellrechtliche Massnahmen, welche für mehr Wettbewerb im Internet sorgen. Die Content-Moderation und -Wertung sollte in erster Linie eine persönliche Entscheidung sein und nicht eine Aufgabe des Staates. Plattformen sollen Nutzer dazu befähigen sich möglichst selbstbestimmt zu informieren und zu äussern.

Jorgo Ananiadis, Präsident der Piratenpartei Schweiz: “Wie bereits beim Ausweiszwang-Gesetz [5] hat auch hier wieder mal ein gut gemeinter Vorstoss katastrophale Auswirkungen für unsere Demokratie. Diese Initiative verkennt die Probleme und und wünscht gefährliche Regulatorien. Der Mangel an Digitalkompetenz im Bundeshaus und die Naivität solcher Vorstösse ist zunehmend erschreckend.”

Das angebliche Ziel der Initiative, die freie und demokratische Meinungsbildung auf Plattformen zu schützen, wird klar verfehlt. Dieses Ziel soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass Informationen kontrolliert werden sollen. Informationskontrolle seitens Staaten ist gemeinhin bekannt als Zensur. Das in der Initiative geforderte Vorgehen verletzt inhaltlich mehrere Grundrechte, unter anderem sämtliche Punkte unter Artikel 16 und Artikel 17 der Schweizer Bundesverfassung (Meinungs, Informations- und Medienfreiheit). Die Initiative widerspricht damit ihrem selbst proklamierten Ziel, die freie Meinungsbildung «schützen» zu wollen. Das Buch “1984” von George Orwell war wirklich nicht als Anleitung gedacht.

Die Piratenpartei hat gemeinsam mit ISOC und der p≡p-Stiftung  eine detaillierte Stellungnahme erarbeitet. Sie finden diese hier.

Quellen:
[1] https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20210532
[2] https://www.eff.org/issues/cda230
[3] https://www.bernerzeitung.ch/kampf-um-zensur-in-den-sozialen-medien-433710683992
https://twitter.com/LangstrumpfPipo/status/1263054639731298304
[4] https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/elektronische-medien/studien/medienmonitor-schweiz.html
[5] https://www.beobachter.ch/gesetze-recht/jugendschutzgesetz-experte-kritisiert-alterskontrollen-fur-jugendliche-im-netz-562828

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