Staatstrojaner: Ferrari oder Kampfdrohne?

Liebe Trojaner-Befürworter

Ihr behauptet, der Staatstrojaner sei «unerlässlich». Die Polizei müsse mit dem aktuellen Stand der Technik mithalten, schliesslich verfolge man einen Ferrari auch nicht mit einem Döschwo.

Ziemlich unklug von euch, solche Dinge zu behaupten. Und ich sag euch gleich warum.

Erstens: Bei Verfolgungen ist für die Polizei oberste Maxime: Keine Gefährdung Dritter! Lieber lässt man einen Ferrari entwischen, als dass man das Leben von Passanten gefährdet. Was aus guten Gründen auf der Strasse gilt, sollte auch im Internet gelten: Keine Gefährdung Dritter! Genau das macht aber der Einsatz des Trojaners. Der Trojaner nutzt nämlich Sicherheitslücken aus. Der Staat hat dann kein Interesse mehr, dass Sicherheitslücken geschlossen werden, denn das würde den Trojaner unbrauchbar machen. Deshalb meldet er ihm bekannte Sicherheitslücken auch nicht mehr den Softwareherstellern und fördert so Angriffe von Kriminellen auf Unternehmen und Privatpersonen, wie z.B. aktuell der Ruag-Hack oder die Erpresser-Trojaner. Er setzt Wirtschaft und Gesellschaft einer Gefahr aus, die durch die Verfolgung nicht zu rechtfertigen ist. Setzt eine verantwortungsvolle Polizei Ferraris für wilde Ferrari-Verfolgungsjagden ein? Eben.

Zweitens: Während es sich beim Ferrari-Hersteller um eine ehrenwerte Firma handelt und angenommen werden kann, dass es bei dessen Produktion mit rechten Dingen zugeht, ist dies beim Trojaner nicht der Fall. Trojaner können nur bei zwielichtigen Unternehmen gekauft werden, die ihre Überwachungstechnik auch an Diktatoren verkaufen, damit diese ihre Bevölkerung unterdrücken können. Ausserdem kaufen diese Unternehmen das Wissen über nicht öffentlich bekannte Sicherheitslücken, sogenannte Zerodays, auf dem mafiösen Schwarzmarkt ein, und befeuern damit die dortigen Geschäfte. Natürlich gibt es in solch dubiosem Umfeld auch keine Garantien, dass das geliefert wird, was versprochen wurde. Sehr gut möglich, dass der Trojaner versteckte Funktionen hat, von denen nur die Hersteller wissen. Wenn die Polizei ein Auto für Verfolgungsjagden bräuchte, würde sie es bei der Mafia kaufen? Eben.

Drittens: Das Bild vom Ferrari erweckt den Eindruck, es ginge darum, dass die Polizei den Kriminellen ebenbürtige Mittel zur Verfügung hat. Wenn das ebenbürtige Mittel zu einem Ferrari ein Ferrari ist, dann wäre das ebenbürtige Mittel zu einer Verschlüsselung eine Verschlüsselung. Ein Trojaner ist aber eine ganz andere Ebene von Mittel: kein Ferrari, sondern eine Kampfdrohne. Wie diese ist der Trojaner nur bei zwielichtigen Lieferanten zu beziehen und verursacht beträchtlichen Kollateralschaden. Vor allem aber hat er den Charakter einer Angriffswaffe. Mit einem Trojaner werden Angriffe auf Computersysteme durchgeführt. Unbefugtes Eindringen in ein Datenverarbeitungssystem wird nach Strafgesetzbuch mit bis zu drei Jahren Haft bestraft – offenbar gilt das aber nicht für Polizisten. Beschafft die Polizei Kampfdrohnen, um Ferraris zu verfolgen? Eben.

Viertens: Man solle halt selbst einen Staatstrojaner herstellen, sagt ihr, um die Beschaffungsprobleme zu umgehen. Unsere Hochschulen könnten ja sicher so ein Ding entwickeln. Was ihr dabei nicht bedenkt: Auch die ETH kann das Wissen über Sicherheitslücken in genügender Zahl und Geschwindigkeit nur auf dem Schwarzmarkt beschaffen. Glaubt ihr wirklich, die ETH würde das tun? Und glaubt ihr wirklich, die Leute an der ETH hätten kein ethisches Gewissen mehr und würden das Wissen vor den Softwareherstellern verheimlichen? Ganz abgesehen von den immensen Kosten und der massiv verzögerten Einsatzbereitschaft, wenn man die «Government Software» (wie ihr den Staatstrojaner ja nennt) nach einigermassen überprüfbaren rechtsstaatlichen Prinzipien entwickeln möchte. Deutschland fällt ja bei dem Versuch gerade ziemlich auf die Schnauze. Ein wunderbares trojanisches Luftschloss habt ihr euch da ausgedacht. Entwickelt die Schweiz ihre eigenen Kampfdrohnen? Eben.

Ein Staatstrojaner zur Kommunikationsüberwachung ist so «unerlässlich» wie eine Kampfdrohne zur Ferrariverfolgung. So, wie wir damit leben gelernt haben, dass ein motorisierter Krimineller der Polizei auch mal entwischen kann, so werden wir damit umgehen lernen, dass ein Krimineller kommunizieren kann, ohne dass die Polizei mithört.

Ich danke für eure Aufmerksamkeit.

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