Präambel
Heute sind viele psychoaktive Substanzen verboten, was dazu führt, dass harmlose Freizeitkiffer kriminalisiert werden, Justiz und Polizei mit Drogendelikten beschäftigt sind, und die organisierte Kriminalität Milliarden umsetzt. Eine vernünftige Drogenpolitik muss bei den vier Pfeilern Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression auf Verhältnismässigkeit achten. In der aktuellen Politik werden die Möglichkeiten einer liberalen Regelung nicht ausgeschöpft.
Dieser Zustand ist unserer Meinung nach unhaltbar. Deshalb fordern wir eine liberalere Drogenpolitik mit dem Ziel die Freiheit zu erhöhen und die Kriminalität zu senken ohne eine Zunahme der Schwerstabhängigen oder des Drogenkonsums Jugendlicher zu bewirken.
Inhaltliche Darlegung
Die vier Säulen der Drogenpolitik, Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression, sind in einer liberalen Gesellschaft nur verhältnismässig, wenn sie den gesellschaftlichen Wandel reflektieren. Im folgenden versuchen wir Vorschläge in drei Aspekten von Drogenpolitik zu unterbreiten, um diesem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen.
Typisierung nach Härtegrad
Die Vorstellung, dass sich Suchtmittel kategorisch in gesellschaftlich akzeptierte Konsumgüter und geächtete Drogen einteilen lassen, ist veraltet. Die Legalität verschiedener Suchtmittel hat nur noch wenig mit der gesellschaftlichen Realität bezüglich Suchtpotenzial, direkter und indirekter Gesundheitsgefährdung und tatsächlichem Konsum zu tun. Eine differenzierte Typisierung von Suchtmittels mit entsprechender Regelung ist notwendig.
Weiche Drogen
Der Besitz und Privatkonsum, sowie der Anbau und die Herstellung zum Eigengebrauch, weicher Drogen, insbesondere von Marihuana, soll legalisiert werden. Einfuhr, gewerbsmässiger Anbau, Herstellung und Handel sollen durch Gesetze reglementiert werden, wie dies Heute bereits bei Alkohol der Fall ist. Dabei soll insbesondere dem Jugendschutz Rechnung getragen werden.
Partydrogen
Halluzinogene Partydrogen mit möglichst geringen Gesundheitsrisiken sollen an entsprechenden Anlässen, die nur Erwachsenen zugänglich sind, verkauft und konsumiert werden dürfen. Dazu sollen Regeln für den sicheren Genuss dieser Substanzen erlassen werden, die Beispielsweise die Anwesenheit eines Arztes vorschreiben können. Einfuhr, Produktion und Handel mit diesen Substanzen soll lizenzierten und staatliche kontrollierten Unternehmen vorbehalten bleiben.
Harte Drogen
Harte Drogen wie Kokain und Heroin sollen als verschreibungspflichtige Substanzen behandelt werden, und nur gegen Rezept an Süchtige abgegeben werden. Die kontrollierte Drogenabgabe dient primär der Schadensminderung, weil eine Gesundheitsgefährdung durch illegal beschaffte Suchtmittel, die vergleichbar mit gefälschten Medikamenten keinerlei Qualitätsgarantien haben, gemindert wird. Die Gesundheit von Suchtmittelabhängigen ist ein Rechtsgut, das bei der Verhältnismässigkeitsprüfung von Repression bisher vernachlässigt wurde. Auch nicht vergessen werden dürfen die Gesundheitskosten, die durch Behandlungen infolge der Einnahme verschmutzter Suchtmittel entstehen.
Andere Süchte
Andere Süchte, beispielsweise nach Video- oder Glücksspielen, dem surfen im Internet oder anderen psychoaktiven Substanzen, die kein direktes körperliches Gefährdungspotential haben, sollen im Rahmen von Präventivund Schadenbegrenzungskampagnen angegangen werden. Verbote und andere Repressionsmassnahmen sind aber abzulehnen.
Freie Entscheidungen gegen die Sucht
Eine liberale Gesellschaft versucht so weit wie möglich Mechanismen der individuellen Entscheidungsfindung zur Reglementierung von gesellschaftlich unerwünschten Handlungen einzusetzen. Ein Individuum soll sich unter gesellschaftlichen Rahmenbedingungen freiwillig zu einen konformen Verhalten entscheiden. Der Mensch soll nicht das Gefühl haben durch Zwänge und Verbote gelenkt zu sein. Viel mehr sollen Entscheidungen auf Grund von individuellen Kosten-Nutzen Überlegungen getroffen werden. Gerade in der Drogentherapie ist die bewusste Entscheidung des Süchtigen aufzuhören sehr viel effektiver als ein Zwang zu Abstinenz. Insofern müssen die Faktoren gestärkt werden, die einem Individuum zum freiwilligen Entscheid gegen den Konsum von Suchtmitteln verhelfen. Im Folgenden zeigen wir gesellschaftliche Mechanismen zur Stärkung individueller Entscheidungskompetenzen auf, die zu einem freiwilligen Verzicht auf Suchtmittel beitragen.
Zerschlagung des Wirkungskreises Drogensucht-Kriminalität
Jede Sucht ist eine selbst verstärkende Rückkopplung, das heisst die Suchthandlung führt direkt oder indirekt zu einer Verstärkung des Bedürfnisses diese Handlung zu wiederholen. Bei Drogensucht ist der Teufelskreis im Zusammenhang mit Kriminalität besonders verheerend. Drogensucht und Kriminalität bedingen sich gegenseitig. Aus Drogensucht entsteht Kriminalität und aus Kriminalität entsteht Drogensucht. Diese ausweglose Situation ist eine entscheidendes Problem beim Versuch von Süchtigen sich gegen Drogen zu entscheiden. Die Legalisierung von Suchtmitteln unter Rahmenbedingungen kann diesen Wirkungskreis zerschlagen.
Austrocknung des Drogensumpfes
Der Zusammenhang von Drogensucht und Kriminalität ist nicht nur individuell zu betrachten, sondern auch was organisierte Kriminalität betrifft. Die Illegalität von Suchtmitteln macht es dem Organisierten Verbrechen erst möglich daraus ein kriminelles Handelsgut zu machen. Sie profitieren von Illegalitätsrenten, die vergleichbar mit Monopolrenten dem Inhaber einer strukturellen Marktposition erhebliche Profite garantieren. Ein historisches Beispiel ist die Prohibition in den USA der 20er Jahre, wo das Verbot des Alkoholkonsums einem gewissen Al Capone zu Millionen und einem zweifelhaften Weltruhm verholfen hat. Dieser Effekt der Illegalitätsrente, die es der Organisierte Kriminalität gleichsam ökonomischen Akteuren ermöglicht einen eigenen Markt zu schaffen und zu besetzten, hat für das Individuum furchtbare Folgen. Nicht um sonst spricht mach von „abhängigen“ Kunden als den sichersten Kunden. Die Organisierte Kriminalität nützt ihre Marktposition aus, um den Abhängigen eine Entscheidung gegen die Droge zu verwehren.
Die Legalisierung von Suchtmitteln und der Aufbau eines staatlich reglementierten Marktes bringt die Illegalitätsrente zum verschwinden. Ökonomisch, und die Organisierte Kriminalität ist in dieser Hinsicht ein ökonomisch orientierter Akteur, macht Drogenkriminalität keinen Sinn.
Liberalisierung durch reglementierten Markt
Es stellt sich die Frage, wie der Staat den Umgang mit Suchtmitteln organisieren soll, wenn grundsätzlich von einem legalen Konsum ausgegangen werden soll. Sicher ist die absolute Legalisierung keine Option. Den Umgang mit weichen Drogen marktwirtschaftlich zu regeln ist heikel, da ein Marktversagen droht. Es müssen also strikte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hierbei geht es vor allem um die staatliche Kontrolle des Marktes, was für Qualität und Transparenz sorgen soll. Der staatlich regulierte Suchtmittelverkauf muss die Qualität im Sinne einer Gesundheitsgefährdung sicher stellen. Vergleichbar mit dem Verkauf von Tabak und Alkohol müssen Standards zu Produktion und Verkauf definiert werden. Hierbei darf der Jugendschutz nicht vergessen werden. Was die Transparenz betrifft, müssen dem Konsumenten die Kosten und Konsequenzen unübersehbar aufgezeigt werden. Gut informiert zu sein ist die Grundlage für eine frei und vernünftige Entscheidung und das ist das Ziel einer effektiven Drogenprävention. Deshalb schliessen sich Drogenprävention und eine staatlich regulierte Suchtmittelmarkt nicht gegenseitig aus. Für harte Drogen ist eine staatlich organisierte Drogenabgabe vorzuziehen. Wie bei verschreibungspflichtigen Substanzen muss die Abgabe ärztlich kontrolliert sein.
Schadensminderung durch Entstigmatisierung
Die moralische Gleichsetzung von weichen und harten Drogen hat zur Folge, dass es unmöglich ist für spezifische Suchtprobleme je nach Situation Lösungen zu finden. Zu oft kommt die Forderung nach der vollen Härte des Gesetzes mit dem Aufruf den Anfängen zu wehren. Es mag der politischen Profilierung dienen auf „Law and Order“ zu pochen, doch ist es nicht Lösungsorientiert. Viel mehr hat es eine Stigmatisierung zur Folge, die die individuelle Suchtproblematik noch verstärkt. Die gesellschaftliche Ächtung eines Konsumenten weicher Drogen beschleunigt die Abwärtsspirale in die Sucht und vergrössert die Gefahr zu harten Drogen zu greifen. Eine Entstigmatisierung der Sucht und das Verständnis, dass es sich dabei um eine Krankheit handelt, wirken schadensmindernd und erhöhen die Chance für eine Therapie.
Sucht ist eine Krankheit, kein moralischer Makel
Die Entstigmatisierung der Sucht ist in erster Linie keine politische sondern eine gesellschaftliches Forderung. Politisch kann dies unterstützt werden, indem staatliche Massnahmen der Drogenpolitik auf ihre stigmatisierende Wirkung geprüft werden. Es muss vermieden werden, dass präventive Kampagnen, Therapieangebote, Projekte zur Schadensminderung und besonders repressive Massnahmen, Sucht als einen moralischen Makel darstellen. In der Praxis findet dieser Grundsatz bereits Anwendung, wie aus dem dritten Massnahmenpaket des Bundes zur Verminderung des Drogenproblems (MaPaDroIII) zu ersehen ist. Nun muss noch die Politik zur Kenntnis nehmen, dass die Entstigmatisierung der Sucht einen wichtigen Beitrag zur Drogenpolitik leisten kann. Rhetorische Äusserungen wie „Kampf den Drogen“ oder „Krieg gegen die Drogen“ mögen die militärische Entschlossenheit demonstrieren, aber einen Beitrag zur Lösung des Drogenproblems bieten sie nicht.
Suchtmittelkonsum gehört in den privaten Bereich
Dennoch darf nicht ignoriert werden, dass grosse Teile der Bevölkerung nicht mit dem Konsum oder den Folgen von Suchtmitteln konfrontiert werden wollen. Was für Alkohol gilt, muss auch für andere Suchtmittel gelten, die die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigen. Das Führen eines Fahrzeuges unter Drogeneinfluss ist strikt zu ahnden. Daraus ergibt sich die Forderung, dass der Konsum von Suchtmitteln in den privaten Bereich gehört. Deshalb soll das Kiffen in der Öffentlichkeit verboten und mit einer Ordnungsbusse belegt werden.
Zusammenfassung
Die oben dargelegte Drogenpolitik verfolgt zwei Hauptziele: Die Stärkung der Freiheit des einzelnen in Entscheidungen, die praktisch ausschliesslich für diese Person Konsequenzen haben und die Reduktion der Kriminalität. Wir sind der Meinung, dass mündige Personen selber entscheiden sollten, welche Substanzen sie ihrem Körper zuführen. Wir sehen die Gefahren einzelner Substanzen, wollen aber die staatlichen Eingriffe in die Handlungsfreiheit des Einzelnen möglichst klein halten. Deswegen sollen nur die gefährlichsten Drogen unzugänglich sein. Da wir aber auch von der ärztlich kontrollierten Abgabe dieser Drogen zu Therapiezwecken überzeugt sind, ist es naheliegend diese als verschreibungspflichtige Substanzen einzustufen.
Die Kriminalität rund um Drogen hat zwei Seiten: Die Beschaffungskriminalität der Drogensüchtigen und Handel durch die organisierte Kriminalität. Mit der Teillegalisierung entziehen wir beidem die Grundlage. Schwerstabhängige können sich gegen ein Rezept ihre Drogen zu einem fairen Preis in der Apotheke besorgen, ohne dafür stehlen, rauben oder dealen zu müssen. Die organisierte Kriminalität wird das Interesse am Drogengeschäft verlieren, wenn sich nur noch wenig Geld verdienen lässt. Beides macht unsere Strassen sicherer uns spart Strafverfolgungs- und Gerichts- und Gefängniskosten.
Wir wollen aber auch nicht ausser Acht lassen, dass Drogen für Kinder und Jugendliche ungeeignet sind und diesen daher den Zugang verwehren. Wenngleich der Jugendschutz im Alkoholverkauf nicht perfekt ist, so ist er unseres Erachtens nach das bessere Mittel als die Prohibition.
Einzelnachweise
- Simone Ledermann, lic. rer. soc./ Prof. Dr. Fritz Sager (2006): Die Drogenpolitik der Schweiz (MaPaDro III), Bern: Bundesamt für Gesundheit (BAG).
- Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (2006): Von der Politik der illegalen Drogen zur Politik der psychoaktiven Substanzen, Bern: Verlag Hans Huber.
Unterstütze uns!
Du findest gut, was wir machen?
Bitte unterstütze unsere Arbeit mit Deiner Mitgliedschaft und/oder einer Spende.
Wir freuen wir uns über einen finanziellen Zustupf!
Mit dem QR-Code kannst du über TWINT spenden.
Zahlungsverbindung:
- Piratenpartei Schweiz, 3000 Bern
- Postfinance Konto: 60-307660-3
- IBAN: CH32 0900 0000 6030 7660 3
- BIC: POFICHBEXXX
- Bei Mitgliedschaftsbeiträgen gib dies bitte im Kommentar an.
Bitte beachte, dass laut Statuten Spenden von juristischen Personen oder Privatspenden über CHF 500 pro Rechnungsjahr zwecks Transparenz veröffentlicht werden.
Bei Fragen erreicht ihr den Schatzmeister unter finance@piratenpartei.ch